Das Fachgebiet alte Spielsachen

Der Fachbereich Alte Spielsachen gehört, wie auch die Modelleisenbahnen, schon von Anfang an zu einer der Kernkompetenzen des Weinheimer Auktionshauses. Zu diesem Bereich gehört alles, was einmal Kinderzimmer bevölkert hat. Ob Blechschiffe, Autos von Gama, Schuco, GeLy, Matchbox, Siku und vielen anderen, Dampfmaschinen, Massefiguren von Elastolin, Lineol, Märklin, Durso, Leyla oder Beck, Schildkröt-Puppen oder Steiff-Teddys.

Wie erwirbt man sich Fachwissen über ein so komplexes Thema wie alte Spielsachen?

Auch wenn diese Frage schon im Grunde bei der Modellbahn im Raum stand, ist hier die Antwort doch eine etwas andere.

Natürlich habe ich als Kind auch mit dem gespielt, was heute bereits Sammlerartikel sind. Oft genug habe ich es dann auch kaputt bekommen. Entweder habe ich es mit Silvesterböllern in die Luft gesprengt oder mit Wunderkerzen abgefackelt. Oder ich habe es einfach im Garten vergraben. Oder auch durch den Gebrauch auf der Gartenmauer-Autobahn die Räder ruiniert. Ich war da wohl zum Teil etwas destruktiv.

Zum Teil resultiert meine Liebe zu altem Spielzeug also aus meinen eigenen Kindheitserfahrungen und spiegelt damit die Motivation vieler wider, die sich mit dem Sammeln von alten Spielsachen beschäftigen: das kenn' ich, das hatte ich auch mal so oder so ähnlich.

Ich habe ausserdem einen technischen Beruf erlernt und aus diesem Grund eine besondere Affinität zu allem, was irgendwann einmal produziert wurde. Diese alten Dinge erzählen mir Geschichten aus der Zeit, als es noch rentabel war, Blechwände von Hand mit einem Relief zu versehen, die Teile nicht einfach mit Laschen zusammenzustecken sondern zu löten oder auch mit Nitrolacken (beim Kinderspiezeug!) von Hand zu lackieren und die Zierlinien von Hand mit dem Pinsel zu ziehen. Die Zeiten, als man noch keine Plastiksoldaten spritzen konnte sondern eine knetartige Masse aus verschiedenen Mehlen um ein Drahtgerippe herum in eine Stahlform gepresst und anschliessend von Hand bemalt hat.

Es sind die alten Lacke, die eine heute gar nicht mehr zu erreichende Wärme in ihrem Glanz erreichen. Es sind auch die "moderneren" Produktionsmethoden die Geschichten aus der Zeit der beginnenen Industrialisierung erzählen. Es ist auch die Einstellung der damaligen Zeit, die sich in diesen Spielzeugen zeigt. Es wäre heute wohl kaum vorstellbar, ein Blechhaus als Spielzeug zu produzieren, dessen Funktion darin besteht, vermittels einer Karbidexplosion mit einem lauten Knall zu explodieren. Dennoch hat Rock & Graner exakt so etwas gebaut. Ungefähr um 1880 herum. Und natürlich kennen wir auch alle die Lausbubengeschihcten von Ludwig Thoma, bei denen dieser das dafür eigentlich nicht geeignete Schiff des "vornehmen Knaben Arthur" mit Schwarzpulver aus dem Weiher sprengt. Vieleicht war ich also gar nicht besonders destruktiv sondern einfach nur 100 Jahre zu spät ein Lausbub.

Es ist für mich einfach eine faszinierende Materie, die mich nicht nur beruflich sondern auch emotional und historisch beschäftigt. Es sind ausserdem die Geschichten aus der Geschichte, die diese Stücke für mich so interessant machen, dass ich mich damit beschäftige. Wer einmal die alten Kataloge für Massefiguren studiert, wird feststellen, dass die Elastlinfigur "Ernst Röhm" in der Parteifigurenserie nur recht kurz angeboten wurde. Ein Jahr später wurde sie nur noch als SA-Stabschef angeboten. Sie hatte zwar noch den grauen "Parteisockel", war aber keine Parteifigur mehr. Dem Kenner muss man nicht erklären, wie es dazu gekommen ist.

Im Grunde bin ich also auch hier Sammler. Nicht in dem Sinne, dass ich sie sammle, aber doch so, dass ich das Verständnis dafür habe, was uns diese Stücke erzählen können.